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About Shoes and Men and the imperfect Perfections

Actually I am pretty satisfied with me, myself and I and with my life apart from the occasional small dissatisfactions of every day li...

Dienstag, 2. Juni 2015

Von Hochzeiten und anderen Unannehmlichkeiten

Nachdem ich mir vor fünf Jahren geschworen und es laut verkündet hatte, auf keine Hochzeit mehr zu gehen, es sei denn, es wäre meine eigene, war ich danach noch auf sieben.

Gleich nach meiner Verkündung war da die Hochzeit eines Arbeitskollegen, der mich wirklich in ein Dilemma brachte. Hatte ich doch diesen Schwur geleistet, auf keine Hochzeit mehr zu gehen es sei denn, es war meine Eigene, mochte ihn aber und wollte ihn nicht enttäuschen. Also was blieb mir übrig als sofort meinen Schwur zu brechen?

Dann kam die Hochzeit einer Arbeitskollegin, dann die des Cousins eines Mannes, mit dem ich ausging. Hatte ich mich doch tatsächlich selbst zu dieser Hochzeit eingeladen. Als er die Einladung erhielt und er mir erzählte, dass es ihm unangenehm war dorthin zu gehen, weil die Familie zerstritten war, hatte ich ihm vorgeschlagen ihn zu begleiten, bevor er überhaupt auf die Idee kam mich mitnehmen zu wollen. Hatte mich auch eher aus Chuzpe angeboten und gedacht, er würde mein Angebot nicht annehmen, als dass ich es wirklich ernst gemeint hatte. So hatte ich das dann auch später gleich wieder bereut. Wir kannten uns ja eigentlich gar nicht gut genug, um gemeinsam auf eine Familienhochzeit zu gehen und am einen der Familientische zu sitzen. Im Nachhinein war das die beste Hochzeit auf der ich jemals gewesen war, weil ich nicht alleine dort war und es mich kein Geld gekostet hatte.

Dann kam die Hochzeit des Sohnes einer neuen Arbeitskollegin. Das war neu für mich. Ich wußte nicht, dass auch die Arbeitskollegen zur Hochzeit der Kinder eingeladen wurden. Da erinnerte ich mich wieder meines Schwurs und versuchte krampfhaft Ausreden zu finden nicht gehen zu müssen. Aber ich habe ja auch noch dieses Problem, dass ich nicht lügen kann und was hätte ich auch sagen sollen? Ich gehe schon auf eine andere Hochzeit? Ich habe schon was vor an dem Tag? Es wären Fragen über Fragen gekommen und ich hätte mich immer mehr in spontan ausgedachte Lügen verstricken müssen. Und wie gesagt, noch nicht einmal lang geplante Lügen kommen mir über die Lippen.

Dann kam die Hochzeit des Sohnes meiner Chefin. Da stellte sich natürlich die Frage, ob ich gehen würde oder nicht, überhaupt erst gar nicht. Dort zu erscheinen, war ein Muss. Die einzige akzeptable Ausrede nicht zu gehen, wäre der eigene Tod gewesen.

Die nächste Hochzeit war wieder mal von einer neuen Arbeitskollegin (ja, ich wechsle auch die Arbeitsstelle andauernd). Diesmal war es die Hochzeit einer nicht-religiösen, muslimisch-arabischen Arbeitskollegin. Da ich meine Arbeitskollegin mag und eine arabische Hochzeit mal eine Abwandlung der Routine war, hatte ich sogar Lust dorthin zu gehen.

Letzten Donnerstag dann heiratete schon wieder irgendein Sohn einer Arbeitskollegin. Bei dieser Hochzeit habe ich den Ort gefunden, an dem ich meine Hochzeit feiern werde, wenn die dann irgendwann mal stattfindet und wenn ich nicht all mein Geld schon für die Hochzeiten fremder Leute ausgegeben habe.

So ist das hier in Israel. Ständig wird geheiratet und dazu wird das halbe Land eingeladen. Man wird eingeladen, weil man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Man wird eingeladen, weil man das so macht. Die Hälfte der Gäste auf einer Hochzeit sind Gäste, denen das Brautpaar ziemlich egal ist und die auch dem Brautpaar ziemlich periphär an einem bestimmten Körperteil vorbei gehen. Aber man wird trotzdem eingeladen und man geht trotzdem hin.
Man muss 250 Schekel (ungefähr 50 Euro) „Eintritt“ bezahlen. Das ist das Mindeste, was man geben muss. Nach oben sind natürlich wie immer keine Grenzen gesetzt. Es gibt einen Empfang, an dem jeder gelangweilt Häppchen ißt und Wein, Bier oder sogenannte „Cocktails“ trinkt. Naja, ich muss zugeben, dass ich ein bisschen verwöhnt bin, was Cocktails betrifft wegen Berlin und seinen Millionen Cocktailbars. Das Gleiche gilt übrigens auch für italienischen Kaffee. Wenn man hier Latte Macchiato bestellt, bekommt man einen Espresso (wobei ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob das auch wirklich Espresso ist) mit aufgeschäumter Milch und dann wird auch noch felsenfest behauptet, dass das ein Latte Macchiato sei (lol). In Berlin kommt der Latte Macchiato in einem großen Glas mit aufgeschäumter Milch in das Espresso eingefüllt wird, so dass es wie Flecken aussieht. Cappuccino heißt hier Hafuch, das bedeutet soviel wie umgekehrt. Warum das ein umgekehrter Kaffee ist, versuche ich immer noch zu ergründen. Wenigstens ist das so ungefähr ein Cappuccino. 

       Anmerkung: Ich habe mal Latte Macchiato                 gegoogelt und es kam raus, dass es ein kleiner         Espresso mit einem Klecks aufgeschäumter               Milch ist. 

Nach dem Empfang mit Häppchen und Alkohol folgt die Trauung, meistens eine Stunde später als auf der Einladung angekündigt. Obwohl es im Großen und Ganzen immer ähnlich abläuft, gibt es kleine individuelle Detailunterschiede.


Für jeden, den es interessiert eine kurze Erläuterung des Ablaufes der Hochzeit. Die Trauung findet unter einem Baldachin statt, meistens draußen im Freien. Das ist sehr angenehm und das Wetter lässt das ja auch hundertprozentig zu, zumindest im Frühling, im Sommer und sogar im Herbst. Ich sage meistens, weil ich noch nie im Winter auf einer Hochzeit war. Deshalb weiß ich nicht, wie das im Winter abläuft. Ich weiß auch gar nicht, ob im Winter überhaupt geheiratet wird. Zuerst kommen die einen Eltern, dann die anderen Eltern, dann das Brautpaar. Ein paar Meter vor dem Baldachin hängt er ihr den Schleier vor das Gesicht, dann betreten sie den Baldachin. Der Rabbi faselt mal mehr oder weniger religiöse Dinge, manchmal singt er auch noch. Der Bräutigam muss dann einen religiösen Spruch aufsagen. Die Braut trinkt Wein aus einem übervollen Glas, was ihr ihre Mutter reicht. Dann wird das Glas zertreten und alle klatschen und jubeln. Das ist wirklich eine Zeitraffer-Kurzversion. Dann steht man in einer langen Schlange, um dem Brautpaar zu gratulieren. Es heißt, wenn man von dem Wein trinkt, würde man auch bald heiraten. Ich habe mich das noch nicht getraut, nicht weil ich Angst vorm Heiraten hätte, sondern weil ich zu höflich bin, um mir irgendein fremdes Glas zu schnappen und daraus zu trinken.

Danach setzt man sich, es gibt Essen in anorektischen Portionen für das man meistens anstehen muss. Generell wartet man darauf, dass man endlich wieder gehen kann. Wenn die Hochzeit an einem Hochzeitsveranstaltungsort stattfindet, an dem es koscher ist, ist das Essen auch noch extrem schlecht, d.h. hauptsächlich sind es die Desserts, die nicht gut schmecken, denn die dürfen nicht mit Milch zubereitet werden, weil es zum Essen Fleisch gab. Zwischen dem Verzehr von Fleisch und Milch müssen sechs Stunden Abstand liegen. Das hat noch mit dem Leben in der Wüste zu tun als es noch keine Kühlschränke gab. Naja, vielleicht bin ich auch einfach verwöhnt von der Überfülle an Essen, die man in Deutschland geboten bekommt, sei es im Supermarkt oder auf Buffets. Und wer weiß, was man dort über die Schlechtigkeit des Essens sagt. Ich meine, das Essen ist auch nicht wirklich schlecht, es ist nur immer das Gleiche, Fisch oder Fleisch mit grünen Bohnen oder irgendeiner anderen Gemüsebeilage und dazu kleine Ofenkartoffeln oder Reis oder Kartoffelbrei. Ich liebe Kartoffelbrei, aber wenn der mit Wasser oder ich weiß nicht was milchloses hergestellt wird, schmeckt der halt auch genauso – wie Wasser.

Nach dem Essen, vor dem Dessert kommt der langweiligste Teil des ganzen Abends. Freunde oder die Familien haben Bilder des Brautpaars zusammengestellt, aus deren Kindheit, deren Schulzeit, deren Armeezeit, deren gemeinsamen Urlauben. Ja, was interessiert mich denn das Leben fremder Leute??? Das ist ein bisschen wie das Posten von Essen in Facebook.

Danach wird dann nur noch getanzt (wenn man unter 30 ist) oder rumgesessen (wenn man über 30 ist) oder getrunken (wenn man ein Mann ist). Grob ist das ungefähr so aufgeteilt. Das habe ich erst letztens verstanden, als eine meiner Arbeitskolleginnen mir erklärte, dass man wenn man über 30 ist, nicht mehr auf Hochzeiten tanzen würde. Was letztendlich bedeutet, dass man gar nicht mehr tanzt. Auf die Frage, warum man denn nicht mehr tanzen würde, wurde mir geantwortet, dass man ja mit den Kindern beschäftigt sei. Auf der letzten Hochzeit habe ich das dann beobachtet. Es ist tatsächlich so.

Die Meisten (das sind die über 30jährigen, die die nicht tanzen und vor allem die, die die nicht zur unmittelbaren Familie gehören) gehen früh nach Hause. Bis zum Dessert bin ich meistens geblieben. Meistens habe ich auch getanzt. Was soll man denn sonst auch tun auf einer Hochzeit? Außerdem wenn man schon soviel Eintrittsgeld für eine Veranstaltung bezahlt, auf der man gar nicht sein will, eingeladen von Leuten, deren Freunde man nicht ist oder die einen manchmal noch nicht einmal kennen und denen es auch so was von egal ist, ob man kommt oder nicht, will man wenigstens ein bisschen was davon haben.
Normalerweise bin ich auch selbst zu den Hochzeiten gefahren. Wollte unabhängig sein, wollte kommen und gehen, wann ich wollte und nicht von anderen abhängig sein. Jetzt habe ich mein Auto verkauft und naja, Ihr wißt schon, was das bedeutet, abhängig sein von denen, die die Macht, sprich den Autoschlüssel haben.

Auf der arabischen Hochzeit blieben wir noch nicht einmal bis zum eigentlichen Essen. Aber man muss ehrlicherweise dazu sagen, dass die Vorspeisen den Tisch schon zum Durchbiegen brachten und es wurde immer noch mehr und noch mehr gebracht. Also wußte keiner genau, ob überhaupt noch mehr Essen kommen würde. Also das Essen war extrem gut, dafür aber die Musik extrem grausam!!! Ich mag die Frau, die da geheiratet hat, wirklich sehr gerne, aber die Musik war kaum zu ertragen. Es gab sogar einen echten Sänger. Aber ich sage Euch, so ein arabischer Song hat kein Ende. Jeder Song ist so ungefähr 10 bis 15 min lang obwohl das eigentlich auch keine wirkliche Rolle spielt, denn jeder Song hört sich sowieso gleich an, dieser immer gleiche etwas jammrige Ton. „Sie liebt mich nicht, mein Herz ist gebrochen, sie liebt mich doch, mein Herz springt vor Glück“, sowas in der Art. Wer mag denn solche Musik? Da geht man noch besser „Atemlos durch die Nacht...“. Jedes Volk hat seine eigene Schnulzen.


Heiraten in Israel ist ein ganz großes Geschäft. Es verdienen viele Leute daran, angefangen von den Fotographen, von denen in der Regel so ungefähr drei bis fünf rumlaufen bis hin zum Visagisten. Das Brautkleid kostet soviel wie ein gebrauchter Kleinwagen, ist zwar massgeschneidert, dafür aber nur geliehen!!! Das werde ich nie verstehen, warum eine Frau ihr Brautkleid wieder zurückgeben will. Wenn man die Frauen fragt, warum sie das denn nicht behalten wollen, bekommt man zur Antwort: „Was soll ich denn damit? Das kann ich doch eh nie wieder anziehen.“ Offensichtlich ist auch für das Brautpaar die Hochzeit nur ein Geschäft. Etwas, das man nun mal tut. Nachdem man mindestens ein Jahr zusammen gelebt hat, heiratet man eben. Da braucht man dann auch keine nebulös-romantischen Erinnerungen daran. Das spüre ich auch oft bei der Trauung. Nicht, dass die sich nicht lieben, das kann ich natürlich nicht beurteilen, aber irgendwie wirkt es wie ein Geschäft, was hinter sich gebracht werden muss, weil die Eltern Druck machen, weil es Zeit ist, Kinder zu kriegen, weil die Eltern Druck machen, weil man doch schon lange genug zusammen lebt, weil die Eltern Druck machen.


Zivile Hochzeiten gibt es in Israel nicht, nur religiöse. Es gibt immer mal wieder linke Politiker/Parteien, die die zivile Hochzeit in ihrem Parteiprogramm stehen haben, aber wann haben die Linken schon mal regiert? Wer zivil heiraten will, muss nach Zypern fliegen. Auch daraus ist übrigens schon ein Geschäft gemacht worden. Es gibt Hochzeitsflüge einmal in der Woche nach Zypern und wahrscheinlich ist das Ganze auch eine bis ins kleinste Detail durchorganisierte Tour. Die Israelis lieben durchorganisierte Touren, so wie wahrscheinlich die meisten Menschen auf dieser Welt. Bei soviel Durchorganisierung kann ja auch keine Romantik aufkommen. Auch weil ja alle immer alles genau so machen wie alle, fehlt irgendwie die Aufregung, das Neue, das Spannende.

Bei der letzten Hochzeit, auf der ich war, die dort stattfand, wo ich auch einmal heiraten werde, gingen wir kurz nach dem Essen, aber lange vor dem Dessert. Leider hatte ich meine Kamera nicht mitgenommen, obwohl ich darüber nachgedacht hatte. Dann hätte ich Bilder gemacht von dem Platz, dann hättet Ihr verstanden, warum ich bis jetzt noch nicht geheiratet habe. Nicht weil ich den Einen noch nicht getroffen habe sondern weil ich den Ort noch nicht kannte, an dem ich heiraten wollen würde. Aber jetzt habe ich ihn gefunden. Der Ort am Meer inmitten von römischen Ruinen eingetaucht in das rote Abendlicht der im Meer versinkenden Sonne. Das ist Romantik wie aus einem amerikanischen Hollywoodfilm, nur in der Realität viel weniger kitschig.


Davon abgesehen, dass man trinken kann, wenn man nicht selbst fährt, muss man aber auch nach Hause gehen, wenn die nach Hause gehen und komischerweise war mir das meistens zu früh. Denn was ich noch mehr hasse als auf Hochzeiten rumzulungern, ist, wenn man das Beste verpasst.

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